Benjamin Weber, Hertha BSC

Kader in der Analyse Kader in der Analyse: Wo Hertha-Sportdirektor Weber tätig werden muss

Stand: 30.04.2024 15:38 Uhr

Fußball-Zweitligist Hertha BSC steckt in den Planungen für das Ziel Aufstieg 2025. Wer die Berliner in der nächsten Saison anführen könnte, wer gehen muss - und auf welcher Position sie auf dem Transfermarkt zuschlagen sollten. Von Marc Schwitzky

Hertha BSC und vor allem Sportdirektor Benjamin Weber stehen vor der schweren Aufgabe im Sommer, für die Fußball-Saison 2024/25 einen Aufstiegskader bei schrumpfendem Etat zu bauen. Die Außenverteidigung, das Mittelfeldzentrum und der Flügelsturm wollen verstärkt werden.
 
Das ist kein leichtes Unterfangen, doch angesichts der Umstände von vor einem Jahr – Abstieg, Lizenzprobleme, Umbruch, 30 Kaderbewegungen – werden die Verantwortlichen wohl nicht klagen. Die Mission ist dank einer stabilen ersten Saison in Liga zwei zumindest wesentlich übersichtlicher geworden.

Die Achse steht – wenn sie bleibt

Schlüssel für den Erfolg wird zunächst sein, die vor einem Jahr installierte Achse zu halten. Torhüter Tjark Ernst; die Abwehr aus Michal Karbownik, Marton Dardai und Linus Gechter; Pascal Klemens, Palko Dardai und Ibrahim Maza im Zentrum; Fabian Reese auf dem Flügel und Haris Tabakovic im Sturm – in den vergangenen Monaten haben sich Gesichter hervorgetan, die Mut für das nächste Saisonziel machen.

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Auch die zweite Reihe mit Kapitän Toni Leistner, Jeremy Dudziak, Bilal Hussein oder Florian Niederlechner überzeugt durchaus. Hertha hat eine Achse, Führungsspieler und eine gesunde Kabinenatmosphäre. Nun gilt es, weitere Puzzleteile zu finden, um die Probleme der Saison 2023/24 zu beheben.

Hertha weiter auf Transfereinnahmen angewiesen

Ob die kommende Spielzeit wieder mit Pal Dardai als Cheftrainer beginnen wird, ist noch völlig offen. Die Verantwortlichen werden nach dem Saisonende miteinander reden, doch es ist ein offenes Geheimnis, dass der Verein mit möglichen Nachfolgern spricht – auch weil Dardai selbst trotz auslaufenden Vertrages noch kein klares Bekenntnis abgegeben hat.
 
Klar ist hingegen, dass die "alte Dame" einmal mehr ein Transferplus im Sommer erzielen muss. "Wir werden weiterhin ein Verein sein, der auf Transfererlöse angewiesen ist. Wir haben auch dieses Jahr Einnahmen in dem Bereich eingeplant. Allerdings ist die Summe nicht so hoch wie vor einem Jahr", sagte Geschäftsführer Herrich vor wenigen Tagen "Sport Bild". Im gleichen Atemzug betonte er: "Machen wir uns nichts vor: Es werden Angebote für unsere Schlüsselspieler kommen. Aber wir haben nicht vor, unsere Mannschaft zu schwächen."
 
Sportdirektor Weber konkretisierte gegenüber der "B.Z." im März, dass in erster Linie Spieler für Transfererlöse infrage kämen, "die derzeit von uns verliehen sind." Die Berliner suchen demnach dringen Abnehmer für Suat Serdar, Myziane Maolida, Kelian Nsona und Wilfried Kanga. Hier würde Hertha nicht nur Ablösen erhalten, sondern auch hohe Gehälter einsparen.

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Noch mehr Eigengewächse in der Defensive

In der Abwehr wird es vermutlich zu gleich mehreren Abgängen kommen. Innenverteidiger Marc Oliver Kempf sowie die beiden Außenverteidiger Jonjoe Kenny und Deyovaisio Zeefuik besitzen noch lukrative Erstliga-Verträge, die sich Hertha nicht leisten kann – auch wenn die drei Spieler für die noch laufende Saison durchaus wichtige Kaderstützen waren. Darüber hinaus wird Routinier Peter Pekarik wohl seine aktive Karriere beenden und Agustin Rogel nach einem neuen Verein suchen.
 
Dieser Aderlass spült noch mehr Berliner Eigengewächse nach oben. In der Innenverteidigung werden Marton Dardai und Gechter wohl gesetzt sein, Kapitän Leistner und Nachwuchstalent Tim Hoffmann werden die Herausforderer. Zudem kann Klemens als gelernter Innenverteidiger stets aushelfen. Links hinten wird Karbownik weiter gesetzt sein.
 
Auf der Rechtsverteidiger-Position wird es durch die zahlreichen Abgänge jedoch einen Umbruch geben. Eigengewächs Julian Eitschberger wird gestärkt von seiner Leihe an Drittligist Halle zurückkehren und getreu dem "Berliner Weg" eine faire Chance auf einen Stammplatz erhalten.
 
Der Konkurrent des 20-Jährigen könnte Herbert Bockhorn werden. Der 29-Jährige spielt noch beim 1. FC Magdeburg, doch sein Vertrag läuft aus und er wird seit Längerem mit Hertha in Verbindung gebracht. Bockhorn ist zweitligaerfahren, wäre ablösefrei, bezieht kein allzu hohes Gehalt und kann zudem links hinten der Backup für Karbownik sein – eine sinnvolle Lösung.

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Hertha muss das Sechserproblem angehen

Ob mit oder ohne Pal Dardai – Hertha muss sein Defensivproblem in den Griff bekommen. Die Berliner haben die sechstschlechteste Abwehr der Liga, in der Rückrunde sogar die meisten Gegentore kassiert. Ein Hauptgrund ist das defensive Mittelfeld, wo noch kein Spieler nachhaltig überzeugt hat. Ob im 4-2-3-1 oder 4-3-3 – Hertha braucht dringend einen neuen Sechser.
 
Das Profil des gesuchten Spielers im zentralen defensiven Mittelfeld ist klar: defensivstark, aggressiv im Zweikampf, dynamisch. Ein hierfür passender Spieler wäre Robin Heußer von Wehen Wiesbaden. Der 25-Jährige spielt eine äußerst überzeugende Saison. Er fängt die siebtmeisten Bälle aller Zweitliga-Spieler ab und führt die fünftmeisten Tacklings aus. Heußer ist laufstark, aggressiv im Zweikampf und dazu noch spielerisch gut – er hat bislang acht Tore in der Saison aufgelegt. Der Vertrag des Zentrumspielers läuft im Sommer aus, sodass er ablösefrei zu haben wäre.
 
Heußer könnte das fehlende Puzzleteil im Hertha-Mittelfeld sein. Im 4-2-3-1 könnte er Talent Klemens auf der Doppelsechs die nötige Unterstützung geben, im 4-3-3 hätten Herthas Kreative wie Maza oder Bilal Hussein mit solch einem Balleroberer im Rücken neue Freiheiten. Eine Alternative zu Heußer könnte Robin Fellhauer von der SV Elversberg sein, der ebenfalls zu den stärksten Sechsern der Saison zählt und dessen Vertrag ebenso ausläuft.

Reese allein reicht nicht

Ein weiteres Problem, das Hertha unabhängig von der Trainerpersonalie angehen muss, ist die zu große Abhängigkeit von Starspieler Fabian Reese. Der Flügelspieler auf der linken Seite ist mit sieben Toren und 14 Vorlagen an einem Drittel der Hertha-Tore direkt beteiligt, das Spiel ist komplett auf den 26-Jährigen zugeschnitten. Doch das wissen Herthas Gegner mittlerweile, weshalb Reese immer öfter durch doppelte oder gar dreifache Manndeckung oftmals aus dem Spiel genommen wird. Ohne Reese lahmt das Berliner Spiel allerdings bedenklich.
 
Reeses Pendant auf der rechten Seite, Marten Winkler, hat in der laufenden Spielzeit unübersehbare Entwicklungsschritte gemacht. Das 21-jährige Eigengewächs hat gute Anlagen, ein atemberaubendes Tempo und ist trickreich. Durch sein junges Alter fehlt es Winkler aber noch eindeutig an der Konstanz, die ein Stammspieler benötigt. Es gibt noch zu viele Phasen, in denen der Rechtsaußen wenig am Spiel teilnimmt. Für die kommende Spielzeit ist daher die Verpflichtung eines weiteren Flügelspielers dringend notwendig.

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Boris Atik würde passen

Ein geeignetes Profil weist Baris Atik auf. Der 29-Jährige ist der Reese des 1. FC Magdeburg – die meisten Angriffe laufen über ihn. Mit vier Toren und zehn Vorlagen ist er der beste Scorer des Ostklubs. Atik ist auch deshalb so interessant, weil er deutlich anders als Reese spielt. Während Herthas Flügelflitzer vor allem seine Athletik nutzt, um Tief bis in die gegnerische Hälfte vorzudringen und Flanken zu schlagen, setzt Atik vor allem auf Technik und Passspiel. Er rückt immer wieder ins Spielzentrum, um auf kleinem Raum Situationen spielerisch aufzulösen. So ist Atik vielmehr ein Spielmacher als ein typischer Flügelspieler: Er spielt die meisten Schlüsselpässe der Liga.
 
Mit dieser Spielweise könnte Atik zum einen Herthas Abhängigkeit von Reese abschwächen. Zum anderen würde er das Spiel der Berliner durch Zentrum stärken – ein weiteres Defizit dieser Saison. Für Atik würde allerdings eine Ablöse fließen müssen, die Hertha zunächst einmal erwirtschaften müsste. Medienberichten zufolge sollen die Hauptstädter aber schon seit ein paar Monaten ein Auge auf den Magdeburger geworfen haben.
 
Klar ist aber auch: Ohne Verstärkungen wird der Aufstieg äußerst schwierig für Hertha. Der bestehende Kader zeigt insgesamt zu große Schwachstellen auf – das ändert auch kein Trainer.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.04.2024, 12:15 Uhr